ADB:L’Estocq, Wilhelm von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „L’Estocq, Wilhelm von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 455–456, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:L%E2%80%99Estocq,_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 17. April 2024, 06:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 18 (1883), S. 455–456 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Anton Wilhelm von L’Estocq in der Wikipedia
Anton Wilhelm von L’Estocq in Wikidata
GND-Nummer 116955376
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|18|455|456|L’Estocq, Wilhelm von|Bernhard von Poten|ADB:L’Estocq, Wilhelm von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116955376}}    

L’Estocq: Anton Wilhelm v. L., preußischer General der Cavallerie, wurde am 16. August 1738 zu Celle, wo sein Vater, welcher im selben Jahre als Oberstlieutenant in preußische Dienste getreten war, als kurhannoverscher Hauptmann in Garnison gestanden hatte, geboren, kam aber bald, nachdem seine Eltern früh gestorben waren, in das Haus eines Verwandten, welcher Kriegsrath und Kanzler der Akademie zu Königsberg in Preußen war. Dieser bestimmte ihn für die Civilcarrière, und erst die Anwesenheit der Russen in Königsberg brachte seinen eigenen Wunsch, Soldat zu werden, zur Erfüllung. Der Kanzler war der Bruder des Grafen L., des Günstlings der Kaiserin Elisabeth, ein Umstand, welcher zur Folge hatte, daß General Fermor[WS 1] den jungen L. in den russischen Dienst zu ziehen trachtete und daß dieser, der mit Leib und Seele Preuße war, heimlich entwich und zur Armee des Königs ging, die er bei der Belagerung von Olmütz traf. Er wurde zunächst beim Regiment Gensd’armes angestellt, trat aber bald nachher zu Zieten’s Husarenregiment über und nahm in diesem an den hervorragendsten Ereignissen der folgenden Kriegsjahre, wie an den Schlachten bei Zorndorf, Hochkirch, Kay, Kunersdorf, Liegnitz und Torgau theil. Nach dem Ueberfall von Hochkirch wird der Fahnenjunker L. zum Kornet vorgeschlagen und ernannt. Bei Langensalza, am 15. Februar 1761, erwirbt er den Orden pour le mérite; im März des folgenden Jahres wählt Zieten ihn zu seinem Adjutanten. Dieser befand sich während des Restes der Kriegszeit meist in der Umgebung des Königs, so daß L. das Glück hatte, sich unter den Augen jener beiden Kriegsmeister für seinen Beruf fortbilden zu können, ein Streben, welches er in der folgenden Friedensperiode eifrigst fortsetzte. Der baierische Erbfolgekrieg, welchem die Zietenhusaren mit der Armee des Königs beiwohnten, und die Expedition nach Holland, an welcher er mit der 1. Schwadron des Regiments theil nahm, boten wenig Gelegenheit zu kriegerischer Auszeichnung. Um so reichlicher wurde ihm solche in den Feldzügen gegen Frankreich, während deren er im März 1794 das Commando des Regiments erhielt, zu theil. Fast beständig zu abgesonderten Commandos und speciellen Aufträgen verwendet, that er sich vielfach hervor; mit besonderem Ruhme wird sein Name in der Maischlacht von Kaiserslautern (v. Ardenne[WS 2], Geschichte des Zieten-Husarenregiments, Berlin 1874), bei der Vertheidigung von Kirchheim-Bolanden, beim Ueberfall von Morsbrunn und bei der Affaire von Trippstadt genannt. Nach Friedensschluß blieb er bei den zur Besetzung der Demarkationslinie verwendeten Truppen, durch sein humanes und tactvolles Auftreten manche Schwierigkeiten geschickt beseitigend. Schon am 2. Februar 1797 hatte er das grüne Czettritz’sche Husarenregiment in Schlesien erhalten; anderweite Verwendungen, welche ihm übertragen wurden, wie die Reinigung der Grafschaft Mark von dem dort hausenden Raubgesindel im J. 1801 und die Theilnahme an der Occupation des Bisthums Paderborn im J. 1802 hielten ihn von dort fern und nach dem Tode des General [456] v. Günther im Frühjahr 1803 wurde er auf den schwierigen Posten eines commandirenden Generals in Neu-Ostpreußen berufen, zugleich wurde er Chef des Regiments Towarczys. – Bei Ausbruch des Krieges von 1806 wurde er für das Reservecorps bestimmt, welches sich zwischen Küstrin und Frankfurt sammeln sollte; als der Gang der Ereignisse dessen Aufstellung unmöglich machte, übernahm er im November das Commando der Avantgarde der am rechten Weichselufer unter dem General Graf Kalkreuth stehenden preußischen Truppen. Von Anfang an trat er hier den unverschämten Forderungen der durch das Benehmen anderer preußischer Generale verwöhnten Franzosen energisch und mit dem Anspruch auf Gleichberechtigung entgegen, und, wie er auf solche Weise das Selbstgefühl der Seinen hob, so stellte er durch die ganze Art seiner Kriegführung, nachdem er den Oberbefehl der im Osten der Monarchie im Felde stehenden Preußen übernommen hatte, und durch die Leistungen seiner Truppen den altpreußischen Soldatenruf dem Feinde und der Welt gegenüber her. Wenn er in seinen Maßregeln durch seine Unterstellung unter das russische Commando vielfach behindert wurde, so hatte er dagegen bei Entwerfung und Ausführung seiner Pläne in Scharnhorst einen trefflichen Gehülfen. Durch die rückgängigen Bewegungen des General en chef Bennigsen zum Aufgeben der Weichsellinie gezwungen, wurde er im December durch die Gefechte von Biezun (23.) und von Soldau und Mlawa (25.) genöthigt, sich hinter der Seenlinie von Angerburg zu sichern. Bennigsen’s am 18. Januar 1807 begonnener Versuch einer Offensive und Napoleons Gegenmaßregeln führten für L’Estocq’s kleine Truppe (5–6000 Mann) bald den Befehl herbei, sich mit der Hauptmacht zu vereinigen. Im Verfolg dieses Auftrages gelang es ihm, sich seinem Gegner, dem Marschall Ney[WS 3], unter steten Gefechten zu entziehen und mit Aufbietung aller Kräfte rechtzeitig zur Schlacht von Preußisch-Eylau am 8. Februar einzutreffen. Durch sein erfolgreiches Eingreifen gab er dieser die möglichst glückliche Wendung. An den Kämpfen bei Heilsberg und bei Friedland hatte er keinen Antheil (E. v. Höpfner, Krieg von 1807, 2. Aufl. Berlin 1855). Nach Friedensschluß war er Mitglied der Commission, welche mit den Untersuchungen über das Verhalten der Offiziere während des Krieges beauftragt war, wurde dann Gouverneur von Berlin und verlor diesen Posten wegen Schill’s Ausmarsch. In dem auf französisches Andringen, wegen seiner bei dieser Gelegenheit beobachteten Haltung, gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Verfahren wurde er freigesprochen, fungirte während der Befreiungskriege als Gouverneur von Breslau und starb am 1. Januar 1815 zu Berlin.

L. v. Zedlitz, Pantheon des preußischen Heeres, I, Berlin 1835. – Allgemeiner Militär-Almanach, Glogau und Leipzig 1840.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wilhelm Graf von Fermor (1704–1771), General der russischen Armee, stammte aus ursprünglich englischer Familie.
  2. Armand Léon von Ardenne (1846–1919), preußischer Generalleutnant.
  3. Michel Ney (1769–1815), Marschall Napoleons.